Urs Keller bringt 7- bis 13-Jährigen das Programmieren bei. Ein Ding der Unmöglichkeit? Mitnichten. Das Konzept aus ­Australien lässt die Kinder die digitale Welt auf spielerische Weise entdecken – und rüstet für die Zukunft.

Interview: Raphaela Roth

Im Oktober kommt das «Code Camp» nach Liechtenstein, bei dem Kinder im Alter von acht bis zwölf lernen, zu programmieren. Woher stammt die Idee für das Konzept?

Urs Keller: Code Camp startete im Dezember 2013. Ben Levi und Pete Neill, zwei junge Unternehmer aus Australien, hatten ihre eigenen Erfahrungen im Programmieren bereits mehrfach Kindern aus ihrer Verwandt- und Bekanntschaft nähergebracht und gesehen, wie viel Spass diese dabei hatten. Die Idee war geboren, diesen spielerischen Einstieg in einen kreativen Umgang mit der digitalen Welt möglichst vielen Kindern zu ermöglichen. Dafür notwendig war die Entwicklung eines einfach vermittelbaren «Lehrplans», der im Rahmen von 3- bis 4-tägigen Camps sicher zum Ziel eines selbst programmierten Computerspiels führt.

Wie werden die Kinder in die Welt des Programmierens eingeführt?

In unserem Camp für Einsteiger, dem «Spark Camp», bauen die Kinder ihr eigenes 2D-Spiel, einen sogenannten Side Scroller. Das ist zum Beispiel vergleichbar mit «Super Mario» – für diejenigen, denen das noch ein Begriff ist. In unserer Code Camp World, einer selbstentwickelten Programmierplattform, die spezifisch auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet ist,machen die Kinder die ersten Schritte in der Drag-&-Drop-Programmierung. Sie bauen Szenen mit individuellen Landschaften, kreieren ihre Helden und Gegner und statten diese mit ganz verschiedenen Fähigkeiten aus. Dabei lernen die Kinder – quasi im Vorbeigehen – auch einiges in Physik, Mathematik und logischem Denken.

Weshalb wurde gerade die Schweiz als zweiter Standort für die Code Camps ausgewählt?

Der Grund hierfür ist ziemlich pragmatisch: Ich bin im Rahmen einer Geschäftsreise nach Australien zufälligerweise auf Code Camp gestossen und war fasziniert von der Idee und vor allem auch der Professionalität der Umsetzung. Rasch war dann auch die Idee geboren, Code Camp in meine Heimat zu bringen, was bei den australischen Gründern glücklicherweise auf fruchtbaren Boden fiel.

Wann und wo können die ersten Kinder in Liechtenstein lernen zu programmieren?

Code Camp kommt vom 17. bis zum 19. Oktober als dreitägiges Spark Camp zum ersten Mal nach Liechtenstein. Als Spark Camp ist der Kurs in Vaduz entsprechend geeignet für Einsteiger im Alter von 7 bis 12 Jahren. Der Technopark Liechtenstein hat uns eingeladen, das erste Camp in Liechtenstein in seinen Räumlichkeiten durchzuführen und steht uns mit Rat und Tat zur Seite, worüber wir natürlich sehr glücklich und dankbar sind. Anmelden kann man sich seit dem 1. September über www.codecampworld.ch.

Programmieren tönt in den Ohren eines Laien aber unglaublich kompliziert. Sind die Kinder in so einem Kurs nicht überfordert?

Wir stellen fest, dass die Kinder heute als «Digital Natives» sehr wenig Berührungsängste mit der digitalen Welt haben, was den Einstieg natürlich erleichtert. Zudem führen wir die Kinder Schritt für Schritt an das Programmieren heran, auf Basis von bewährten Lektionen, wie sie über 40 000 australische Kinder bereits kennengelernt haben. Zusammen mit einer hohen Betreuungsquote – auf fünf Kinder kommt ein Betreuer – entsteht damit eine einzigartige Atmosphäre, in der die Kinder in diese neue Welt eintauchen und sich darin ausleben können. Das Lernen wird dabei – gefühlt – zur Nebensache und es entsteht kein Druck.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Kursen in der Schweiz gemacht?

Wir haben seit Januar 2018 in der Schweiz rund 20 Camps durchgeführt. Gestartet sind wir in Aarau, wo wir einzelne Kinder seither bis zu vier Mal bei uns begrüssen durften. Und an allen Standorten, an denen wir bereits mehrere Camps (z. B. im Frühling und im Sommer) durchführten, konnten wir die Zahl der teilnehmenden Kinder jeweils verdoppeln. Wir spüren, dass wir mit unserem Angebot ein bei Kindern wie Eltern vorhandenes Bedürfnis ansprechen. Das stimmt uns sehr zuversichtlich, und umso glücklicher sind wir natürlich auch für jeden neuen Standort, an dem wir präsent sein dürfen – wie zum Beispiel jetzt im Technopark in Vaduz.

Planen Sie, die Camps auch in weiteren Ländern einzuführen?

Im gesamten deutschsprachigen Raum gibt es aus unserer Sicht noch viel Raum für ein Angebot wie Code Camp. Mit der Erfahrung unserer australischen Kollegen im Rücken möchten wir auch bald in Deutschland und Österreich erste Schritte wagen.

Im Anfängerkurs erlernen die Kinder, ein eigenes Spiel zu programmieren. Fortgeschrittene werden anschliessend ins Line Coding mit Java-Script eingeführt.

Wo sehen Sie die Vorteile – besonders für die Zukunft – bereits in jungen Jahren programmieren zu lernen?

Programmieren ist eigentlich wie das Erlernen einer neuen Sprache – das durfte auch ich erfahren, als ich die ersten Schritte im Code-Camp-Lektionenplan unternehmen konnte. Und insbesondere, wenn man dies in Verbindung mit Spass und Kreativität angehen kann, ist dies sicher in jungen Jahren einfacher. Wichtig ist es aber unserer Ansicht nach vor allem, den Kindern früh auch die kreativen Seiten der digitalen Welt zu zeigen und – falls ihr Interesse geweckt wird – Schritt für Schritt zu erschliessen. Dies auch als ein Instrument, den vielseitig beklagten Mangel an Fachkräften in den MINT-Fächern zu lindern. Nicht alle Kinder werden schliesslich nach dem Besuch eines Camps diesen Weg einschlagen, aber möglichst viele Kinder sollten aus unserer Sicht die Gelegenheit haben, sich ein eigenes Bild der kreativen Seite der digitalen Welt zu machen.

Immer wieder wird kritisiert, dass Kinder zu oft vor dem Bildschirm sitzen und sich mit digitalen Medien beschäftigen, statt sich draussen auszutoben. Das Camp fördert diese Entwicklung gewissermassen. Was meinen Sie dazu?

Für eine gesunde Entwicklung ist es aus unserer Sicht absolut zwingend, dass Kinder regelmässig an die frische Luft kommen und sich so richtig austoben können. Wir tragen dem beispielsweise Rechnung, indem wir in unseren Camps bei (nahezu) jedem Wetter zweimal pro Tag nach draussen gehen und die Kinder mit Bällen, Springseilen und anderen Geräten spielen lassen. Wir möchten mit unserem Angebot auch nicht die «Screen Time» der Kinder verlängern. Wir möchten vielmehr, dass sie diese für einen kreativen Umgang mit der digitalen Welt nutzen können und nicht in einer rein konsumierenden Rolle verharren müssen.

Sie haben vorher die MINT-Fächer in der Schule, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, erwähnt: Fänden Sie es sinnvoll, wenn das Programmieren zum Pflichtfach wird?

Eine schwierige Frage: Ein klares Ja, wenn wir unseren Kindern geeignetes Rüstzeug mitgeben wollen für ihre berufliche Entwicklung. Schwierig zu beantworten ist aber immer die Frage, wo denn im Gegenzug Abstriche gemacht werden sollen. Einfach den Stundenplan weiter beladen ist wahrscheinlich keine gute Option.

Sehen sie denn eine andere Option?

Ich könnte mir vorstellen, dass Programmieren als übergreifendes Element in den MINT-Fächern eine geeignete Stelle im Stundenplan finden könnte. Und ich hoffe, dass dabei der kreative und spielerische Aspekt, wie wir ihn in Code Camp pflegen, auch Eingang findet. Dieser motiviert die Kinder nämlich ungemein.


Zur Person

Urs Keller wohnt in Zürich und ist Unternehmer sowie Unternehmensberater. Nach seinem Studium als Bau- und Wirtschaftsingenieur war er bis 2016 Management Consultant in der Energiewirtschaft mit Fokus auf Fragestellungen der Digitalisierung. Seit zwei Jahren ist er selbstständiger Management Consultant und Unternehmer. In seiner Freizeit geht er laufen, ist auf Reisen oder kocht gerne.

1. Code Camp in Liechtenstein

Auf Initiative des Technopark Liechtenstein findet vom 17. bis 19. Oktober 2018 erstmals auch in Liechtenstein ein Code Camp statt. Der Kurs «Spark» ist für Anfänger im Alter von 7 bis 12 Jahren geeignet.

Anmeldungen und alle weiteren Informationen unter: www.codecamp.li

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