Wie hoch ist der Digitalisierungsgrad in den Industriebetrieben Liechtensteins und der Ostschweiz? RhySearch wollte Antworten auf diese Frage, um sich besser auf die Bedürfnisse der KMU ausrichten zu können. Die Studie wurde von der ETH Zürich durchgeführt.

Von Stefan Lenherr

Die Region Liechtenstein/Ostschweiz wird verhältnismässig stark von der fertigenden Industrie geprägt. Während schweizweit rund 25 Prozent der Arbeitsplätze im Industriesektor angesiedelt sind, liegt dieser Wert in der Region bei satten 44 Prozent. Wie Richard Quaderer, Geschäftsführer des Forschungs- und Innovationszentrums RhySearch, erklärt, ist es dementsprechend wichtig, dass sich die Branche mit dem Megatrend Digitalisierung auseinandersetzt – und damit auch sein Forschungs- und Innovationszentrum. «Wir haben den Auftrag, Impulse der regionalen Industrie aufzunehmen. Hierfür haben wir die Studie in Auftrag gegeben, um ein Benchmarking für die fertigende Industrie in der Region zu erhalten», sagt Quaderer. Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit von RhySearch, der ETH Zürich und des Beratungsunternehmens epiphany AG. Insgesamt beteiligten sich 77 Unternehmen an der Befragung. Wie Studienleiter Marcus Zimmer, Senior Researcher an der ETH Zürich, sagt, habe ihn etwas überrascht, wie gelassen die regionalen Industriebetriebe mit dem derzeit heiss diskutierten Thema Digitalisierung umgingen. Dabei warnt er davor, dass Gleichmut im Angesicht der digitalen Entwicklungen schnell gefährlich werden kann. «Es führt mittelfristig kein Weg an der Digitalisierung vorbei», so Zimmer. «Je früher man Handlungserfahrung sammelt, desto besser. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden.»

Die Rakete zündet erst noch

Laut Studienleiter Zimmer sei zwar durchaus zu erwarten, dass sich angesichts der aktuell geschürten hohen Erwartungen die ein oder andere Ernüchterung einstellen wird. «Doch die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben. Am Ende aber werden sich die neuen Technologien durchsetzen.» Auch Richard Quaderer mahnt, sich angesichts der bereits abgeschlossenen digitalen Initiativen, welche die Betriebe in erster Linie in der Fertigung bereits umgesetzt haben, nicht in falscher Sicherheit zu wiegen. Die Ansicht, dass das Thema Digitalisierung ja keineswegs ein neues ist, dass der aktuell medial aufgeblasene Hype wieder abklingen werde, könnte dazu führen, dass wichtige Entscheidungen zu spät getroffen werden. Diese Gefahr wurde laut Richard Quaderer im vergangenen November auch am Swiss Innovation Forum in Basel diskutiert. Das Fazit: Die Entwicklung beginnt linear und geht dann ab wie eine Rakete.

Neue Geschäftsmodelle denken

Wie die Befragung ergeben hat, sehen die Unternehmen die Digitalisierung eher als Evolution denn als Revolution. Das mag auch daran liegen, dass die Digitalisierung in den regionalen Industrieunternehmen bisher vor allem die Herstellungsprozesse betraf. «Bei den herstellenden Firmen steht die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle erst noch bevor», so Zimmer. Ein Geschäftsmodell ganz neu zu denken, das sei der eigentlich revolutionäre Aspekt der Digitalisierung. RhySearch will die regionalen Betriebe auf dem Weg in die digitale Zukunft nach Kräften unterstützen, wie Geschäftsführer Richard Quaderer sagt. Auf Basis der Studienergebnisse sollen daher neue Angebote geschaffen werden. «Gerade KMU sind eine wichtige Zielgruppe. Sie haben oft nicht ausreichende Ressourcen, um auf eigene Faust Entwicklungen voranzutreiben oder sich Experimente zu leisten», sagt Quaderer. Hier könnte sich RhySearch in Zukunft als Versuchslabor für digitale Ideen anbieten. «Wir müssen, gemeinsam mit unseren Partnern, evaluieren, wie wir die KMU unterstützen können», sagt Quaderer.

Die zehn Thesen der Studie:

• Die Digitalisierung ist eher Evolution als Revolution.

• Die Digitalisierung ist mehr als nur ein Hype.

• Die Digitalisierungsbestrebungen fokussieren sich häufig auf Effizienzsteigerungen in der Produktion. • Die Digitalisierung betraf bisher eher Herstellungs- und Verwaltungsprozesse. Nun ist es aber an der Zeit, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.

• Datensicherheit und Schutz vor Cyber-Kriminalität sind zentrale Herausforderungen bei der Digitalisierung.

• Durch die Digitalisierung ist die Abhängigkeit von IT-Systemen massiv gewachsen.

• Die Digitalisierung birgt die Gefahr, dass der Kontakt mit dem Kunden indirekter und unpersönlicher wird.

• Im Rahmen der Digitalisierung verschwinden automatisierbare Jobs, andere entstehen neu und der Bedarf an Fachkräften steigt.

• Innovative Ostschweizer und Liechtensteiner Unternehmen werden im Zeitalter der Digitalisierung weiterhin wettbewerbsfähig bleiben, aber sie müssen sich bemühen.

• Für Ostschweizer und Liechtensteiner KMU ist es im Vergleich zu anderen Regionen mühsam, im Bereich der Digitalisierung an Fördermittel zu gelangen oder Kollaborationen einzugehen.

Kommentieren Sie den Artikel

Geben Sie hier bitte Ihren Kommentar ein
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein