Im Interview mit Schulamtsleiter Arnold Kind und Andreas Oesch, Medienpädagoge im Zentrum für Schulmedien, sind sich beide einig, dass auch Schulen mit der zunehmenden Digitalisierung Schritt halten müssen. Daher soll bis Ende März 2018 ein Konzept erarbeitet werden, das den Einsatz mobiler Geräte wie Tablets oder Notebooks im Primar- und Sekundarschulunterricht sowie im Kindergarten ermöglicht.
Wo steht Liechtenstein im Einsatz von digitalen Medien im Unterricht?
Arnold Kind: Bereits vor bald 20 Jahren haben wir einen grösseren Entwicklungsschritt mit dem Aufbau des Schulnetzes und dem Einsatz von Computern im Unterricht, begleitet von vielen Weiterbildungsangeboten für Lehrkräfte, gemacht. So ist es heute beispielsweise möglich, Unterrichtshilfen wie Filme direkt von der Datenbank unseres Zentrums für Schulmedien per Beamer im Unterricht einzusetzen. Die unaufhaltsame und weiter steigende Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) für die Gesellschaft wirkt sich stark auf die Schule aus. Unsere Kinder wachsen in einem digitalen Umfeld auf und müssen lernen, sich darin zu bewegen. Die Schule muss mit der allgemeinen Entwicklung in der Digitalisierung Schritt halten. Eine der grossen Herausforderungen besteht darin, den Einsatz von mobilen Geräten im Lernprozess und Unterricht weiter voranzutreiben. Deshalb wird derzeit in Liechtenstein ein Konzept erarbeitet mit dem Ziel, den Einsatz von mobilen Geräten wie Tablets oder Notebooks im Unterricht zu ermöglichen und damit die fixen Computerstationen im Verlaufe der kommenden Jahre abzulösen. Das Schulamt wurde entsprechend von der Regierung beauftragt, bis Ende März 2018 in Zusammenarbeit mit dem Amt für Informatik und in Koordination mit den zuständigen Gemeindebehörden ein Konzept zur Ermöglichung des Einsatzes von mobilen Geräten im Unterricht an den öffentlichen Schulen der Kindergarten-, Primarschul- und Sekundarschulstufe zu erarbeiten. Das Konzept soll insbesondere den Rahmen für den pädagogischen Einsatz, die technischen Anforderungen sowie einen Vorgehens- und Finanzierungsplan betreffend die Umsetzung enthalten.
Verfügen Schulen in Liechtenstein bereits über mobile digitale Geräte, die im Unterricht eingesetzt werden?
Andy Oesch: An den meisten Schulen gibt es Lehrpersonen, die zusammen mit ihren Lernenden Tablets und Smartphones einsetzen und sich die dafür notwendige Infrastruktur beschafft haben. Die Erfahrungen sind positiv und es ist nun das Ziel, den Einsatz mobiler digitaler Geräte allen Schulen zu ermöglichen. Dies wird in den nächsten Jahren auch eine Voraussetzung sein, um die neuen Lehrplananforderungen umsetzen zu können.
Sind die Schulen mit einem WLAN-Netz ausgerüstet?
Andy Oesch: Als Grundlage für den Einsatz der mobilen Geräte werden alle öffentlichen Schulen bis Ende 2019 in einem sinnvollen Ausmass mit WLAN ausgestattet. Einige Schulen verfügen schon über ein WLAN. In Zusammenwirken mit dem Amt für Informatik werden jeweils vor Ort entsprechende Messungen durchgeführt und die Schulen mit einer aktuellen strahlenarmen Hardware ausgerüstet. Es werden Geräte (Hotspots) eingesetzt, welche bei Nichtgebrauch automatisch in einen Stand-by-Modus herunterfahren. Das WLAN-Netz wird – dort, wo erwünscht – von den Schülern über das übliche Anmeldeverfahren zugänglich sein und der Zugriff auf das Internet wird gefiltert und verhindert somit das Aufrufen von unerwünschten Seiten.

Wird die Einführung digitaler Medien an den Schulen herkömmliche Lehrmittel in Papier- und Buchform ersetzen?
Andy Oesch: Die Lehrmittel und Lernmaterialien kommen im Rahmen des Unterrichts nach wie vor in gedruckter Form als Bücher, Arbeitshefte oder Kopiervorlagen zum Einsatz. Ergänzend dazu bieten Verlage auf ihren Websites immer mehr digitale Lehrwerkteile oder ergänzende, oft multimedial angereicherte Inhalte, an. Der Schritt hin zu «digital» konzipierten Lehrmitteln, die multimedial, interaktiv, kommunikativ und partizipativ konzipiert sind, erfolgt zwar kontinuierlich, aber eher langsam. Gründe dafür sind der hohe Aufwand für die inhaltliche Neukonzeption sowie die mit dem Einsatz verbundene Notwendigkeit einer Veränderung der Unterrichtsgestaltung. Durch die aktuelle Aufrüstung der Schulen mit mobilen digitalen Geräten in den Nachbarländern werden auch die Lehrmittelverlage umfassendere Schritte hin zu digitalen Lehrmitteln und Lernmaterialien machen.
Wie stehen Sie zum Lehrplan 21 im Hinblick auf das Modul «Medien und Informatik»?
Arnold Kind: Die Regierung hat bereits den Auftrag an eine Arbeitsgruppe erteilt, den neuen Liechtensteiner Lehrplan namens «LiLe» auf der Basis des Lehrplans 21 zu erarbeiten. Mit der Neuauflage des Liechtensteiner Lehrplanes, dessen Start für das Schuljahr 2019/2020 vorgesehen ist, werden die zu erreichenden Kompetenzen im Bereich «Medien und Informatik» neu umschrieben. Die im Lehrplan beschriebenen Kompetenzen orientieren sich an den Zielsetzungen, Kinder und Jugendliche zu befähigen, Medien «situations- und stufengerecht» zu nutzen und diese sinnvoll und effizient einsetzen zu können. Dies erfordert eine Anpassung in allen Fachbereichen, so dass Medien als Lernmittel alltäglich werden.
In welche Richtung laufen die Anschaffungen von digitalen Geräten an unseren Schulen?
Arnold Kind: Verschiedene Faktoren wie die Anforderungen des Lehrplans, die vorgesehene Nutzung, die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, die Schulstufe, der Vergleich mit Schulen in den umliegenden Ländern sowie die künftigen Entwicklungen beeinflussen die Art und Menge der anzuschaffenden mobilen Geräte. Die Schulen werden in ihrem Medienkonzept basierend auf dem neuen Lehrplan und der vom Schulamt vorgegebenen Rahmenbedingungen festlegen, wie viele Geräte angeschafft werden sollen. So soll eine Ausstattung der Schulen möglich sein, die es erlaubt, Geräte dann einzusetzen, wenn sie aus didaktischen, methodischen und lernunterstützenden Gründen sinnvoll sind. Internationale Beobachtungen zeigen, dass die Tendenz im Endausbau in Richtung «Jeder Schüler hat sein eigenes Gerät» läuft.
Was bringen Sie Lehrpersonen im Umgang mit digitalen Medien im Unterricht bei?
Andy Oesch: An unseren Schulen werden digitale Medien und Technologien im Unterricht als didaktische Mittel und als Thema der Medienbildung eingesetzt: Als didaktische Mittel dienen sie den Schülern als Werkzeug zum Lernen sowie den Lehrpersonen als Werkzeug zum Unterrichten. Die Schülerinnen und Schüler sollen Medien und Informations- und Kommunikationstechnologien sachgerecht, kreativ und sozial verantwortlich nutzen und in ihr Leben integrieren können. Digitale Medien dienen ausserdem zur Schulorganisation und zur Kommunikation. Die Digitalisierung verändert den Unterricht und die Arbeit der Lehrperson. Digitale Medien, online verfügbares Wissen und Unterrichtsdatenbanken können die Vorbereitungsarbeit der Lehrperson erleichtern, stellen diese aber auch vor neue Herausforderungen. Nicht nur müssen sich Lehrpersonen die notwendigen fachlichen Kompetenzen aneignen, sie stehen auch täglich mehrfach vor didaktischen Entscheidungen, wann der Einsatz digitaler Medien einen Mehrwert für das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler bedeutet.
Das heisst, dass Lehrpersonen vor neuen Herausforderungen stehen?
Arnold Kind: Ja, das tun sie. Sie müssen über entsprechende Kompetenzen verfügen. Dazu zählen nicht nur eine ausreichende persönliche Medienkompetenz und (medien-)technische Fertigkeiten, sondern auch das Orientierungswissen zum Medienumfeld der Schüler. Ausserdem müssen sie die Bereitschaft haben, Kompetenzen aus den verschiedenen Bereichen zu verknüpfen und sich laufend an das sich verändernde Medienumfeld anzupassen. Die Rolle der Lehrperson wird erweitert zum Lernbegleiter im selbstständigen Lernprozess der Schüler. Diese werden angeleitet, wie sie ihr Wissen aufbauen können und wie sie abrufbares Wissen aus dem Internet in ihre Arbeit aufnehmen können. Im neuen Lehrplan «LiLe» wird dieser Weiterentwicklung «from teaching to learning» mit der Ausrichtung auf Kompetenzen Rechnung getragen.

Inwieweit kommt das Arbeiten mit digitalen Medien den Schülern im Unterricht zugute?
Andy Oesch: Lernen wird immer Lernen bleiben. Durch die digitalen Medien erweitern sich die Rahmenbedingungen: Es kann jederzeit und überall gelernt werden, es gibt mehr Möglichkeiten zum Üben und zum Vernetzen, Informationen können einfach geprüft werden. Digitale Medien können verschiedenen Lernvorlieben entsprechen und ermöglichen es, mit mehreren Sinnen – Hören, Sehen, Fühlen – gleichzeitig zu lernen. Die Vernetzungsleistung erledigt aber immer noch der Mensch selbst. Digitale Hilfestellungen beim Lernen überzeugen beispielsweise durch Schnelligkeit und analytische Fähigkeiten: Ein E-Learning gibt Schülern eine unmittelbare Rückmeldung. Durch eine Selbsteinschätzung und eine Einstufung der eigenen Leistung erhalten sie niveaugerechte Übungsmöglichkeiten.
Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung in Schulen heutzutage im Allgemeinen?
Arnold Kind: Digitale Medien dienen als Transportgefässe und Informationsträger von Inhalten oder sollen in Form technischer Unterstützung zur Verbesserung von Lehr- und Lernprozessen beitragen. Kinder und Jugendliche wachsen selbstverständlich in der heutigen von Medien durchdrungenen Gesellschaft auf. Sie benötigen aber die Unterstützung im sachgerechten Umgang mit Medien, denn ein kompetenter Umgang geht weit über die Fähigkeit zu deren Bedienung hinaus. Anhand des Computers und des Internets sollen auch Ziele der Medienbildung erreicht werden. Kinder und Jugendliche sollen Kenntnisse und Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die ihnen ein sachgerechtes und selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln in einer von Medien stark beeinflussten Welt ermöglichen.
Ist auch Datenschutz ein Thema für die Schule?
Andy Oesch: Datenschutz bedeutet Schutz der Menschen vor jedem Missbrauch ihrer persönlichen Daten in ihrem täglichen Leben verbunden mit dem Persönlichkeitsschutz bzw. Schutz der Privatsphäre. Uns ist es ein Anliegen, eine möglichst hohe Sicherheit bei der Ablage und Speicherung von persönlichen Daten zu gewährleisten. Klar definierte Agreements mit Cloud-Anbietern wurden im Vorfeld ausgehandelt und zudem bestehen weiterhin landeseigene Datenserver für die Ablage. Es liegt aber auch in der Eigenverantwortung von jedem, wie «gläsern» er sich auf dem Netz präsentiert und wie sicher er mit seinen Zugangspasswörtern umgeht. Datenschutz ist ein aktuelles und allgegenwärtiges Thema, welches auch im Unterricht an den Schulen thematisiert wird, aber natürlich auch das Elternhaus betrifft. (bc/jk)