Gamen«Fortnite» ist bei Jugendlichen derzeit die Nummer eins. Die Teenager investieren ungezählte Stunden in die virtuelle Welt. Bisher wurde es weltweit über 140 Millionen Mal heruntergeladen und weist mittlerweile 125 Millionen registrierte Spieler auf.

Wer noch nie etwas von «Fort­nite» gehört hat, hat vermutlich keine Kinder zwischen 7 und 16 Jahren. Das Computerspiel ist in Sachen Popularität ein Phänomen: Es wurde weltweit schon über 140 Millionen Mal heruntergeladen. Dabei hebt es sich auf den ersten Blick nicht von anderen ­Games ab, die man auf der Playstation, dem Computer und auf dem Smartphone spielen kann.

Je erfolgreicher die Figur, desto besser ihr Ruf

Anfangs loggt man sich ein, erhält eine Spielfigur und trifft sich bald mit anderen Spielern. Das Hauptziel besteht darin, möglichst lange zu überleben und die Gegner mit den unterschiedlichsten Waffen auszuschalten. Das klingt etwas brutal, doch «Fortnite» ist kein blutrünstiges «Ballergame» mit realistischer Grafik. Es ähnelt einem Comic.

In die virtuelle Welt taucht man mit Freunden und mit Fremden ein. Stets geht es darum, Punkte zu sammeln, um den eigenen Game-Charakter zu verbessern. Genau darin liegt oft das Problem: «Fortnite» hat grosses Suchtpotenzial. Denn je mehr Zeit man damit verbringt, desto erfolgreicher wird die Spielfigur, desto besser wird der Ruf bei den anderen Spielern – oder auch bei den Schulkollegen im echten Leben. Mittlerweile weist das Game weltweit 125 Millionen registrierte Spieler auf. Beim Livestream einer Spielsequenz, die in der ­Regel etwa 20 Minuten dauert, schauten einmal ganze 630 000 User zu – ein Rekord!

«Keinen Spritzer Blut und keine Leichen»

Max ist in der virtuellen Welt. Er sammelt, baut, kämpft – und die Zeit zerrinnt. Und zerrinnt. Bald ist eine halbe Stunde, dann eine Stunde und schnell einmal ein ganzer Nachmittag vorbei. Ja, «Fortnite» sei ein Zeitfresser, erzählt seine Mutter. Noch mehr als andere Computerspiele oder Apps. «Es setzt gezielt Herausforderungen und Belohnungen.» Diese würden natürlich besondere Glücksmomente hervorrufen. Die Freude sei auch bei Max gross, wenn er als Einziger gegen 99 Gegner gewinne: «Und wenn er verliert, will er natürlich erst recht noch einmal einen Versuch starten.» Seine Mutter hat sich mit dem Spiel arrangiert, indem sie sich damit auseinandergesetzt und sich selbst ein Bild davon gemacht hat. «Die Jugendlichen spielen in einem Duell oder sogar in einem Turnier von mehreren Teilnehmern gegeneinander und wenn man das gewinnt, ist man natürlich voller Euphorie.»

«Fortnite» sei nicht realistisch oder drastisch dargestellt. Die Spielgegner würden zwar Menschen ähneln, aber seien comichaft gekleidete Fantasiefiguren. «Man sieht auch keine offenen Waffen, keinen Spritzer Blut und keine Leichen.»Abgeschossene Gegner würden einfach von der Bildfläche verschwinden.

«Ein Verbot wäre wenig hilfreich»

«Er fragt mich jedes Mal, ob er spielen darf und wie lange», erzählt die Mutter. Solange alles im Rahmen bleibe und ihr Sohn sich vor allem an die gemeinsamen Abmachungen halte, sehe sie demnach keinen Grund, warum er das Game nicht spielen sollte. «Er weiss, dass unter der Woche die Schule, die Hausaufgaben, die Prüfungsvorbereitungen und das Training Vorrang haben und wie viel beziehungsweise wie lange er spielen darf.» An den Wochenenden und in den Ferien sehe das natürlich anders aus. «Da kommt es öfters vor, dass er am Tag drei bis vier Stunden vor dem Computer sitzt und spielt.» Da müsse sie ihn dann schon ab und zu mal bremsen und dafür sorgen, dass er aufhöre zu spielen, um rauszugehen und sich mit Freunden zu treffen. Sie weiss, dass ein Verbot wenig hilfreich wäre. Süchtig oder auf dem Weg dazu ist Max nicht. Sie ist überzeugt, dass sie das als Mutter aufgrund seiner schulischen Leistungen, schlafloser Nächte und seiner Gedanken, die sich ständig ums Zocken drehen würden, bestimmt sofort merken würde. «Ich kontrolliere deshalb regelmässig, mit wem er spielt und dass er sich an die Abmachungen hält. Vor allem aber vertraue ich ihm.» Und sie fügt an, dass sie bei Suchtgefahr sich nicht davor scheuen würde, sofort Hilfe zu ­suchen beziehungsweise in Anspruch zu nehmen. (bc)


Nachgefragt

«Es fasziniert und packt»

Wie ist der Hype um «Fortnite» erklärbar?

Hansjörg Frick: Es fasziniert und packt den Spieler. Dabei hilft die comicartige Aufmachung und natürlich auch die ausgezeichnete Grafik. Das Spiel eröffnet umfangreiche Möglichkeiten, sich im spielerischen Kontext mit anderen zu messen. Auch dieses ist so konzipiert, dass die Spieler von Beginn weg Erfolgserlebnisse erleben und weiterkommen. Dies ist Garant dafür, dass sie dabei bleiben.

Wurde die Sozialarbeit bereits durch besorgte Eltern damit konfrontiert?

Bisher in einzelnen Fällen. Aufgegriffen wird das Thema im Rahmen von präventiven Workshops wie auch in der Medienpräven­tionsperformance angek(l)ickt.

Welche Gefahren lauern?

Das Spielen kann sich auf das Privatleben auswirken. Einerseits versinken Spieler im Spiel selbst und können die reale Welt um sie vergessen. Hausaufgaben erledigen, sich auf eine Prüfung vorbereiten, das Zimmer aufräumen und weiteres mehr gerät in den Hintergrund und verliert an Priorität. Zum anderen können die Gedanken auch ausserhalb der Spielzeiten immer wieder um das Spiel kreisen. Wo stehe ich jetzt? Welches sind die nächsten Herausforderungen? Wie kann ich diesen optimal begegnen? Wie kann ich mein Können optimieren? Dies kann zur Folge haben, dass auch während der Schulzeit die Gedanken um das Spiel kreisen und die Konzentration nicht bei der Schule liegt. In Folge sinken die Leistungsnoten, währenddem beim Spiel das Gegenteil geschieht. Motivation erfährt der Jugendliche nun klar mehr beim Spiel und ist in der Spirale gefangen.

Hansjörg Frick, Leiter der Schulsozialarbeit Liechtenstein.
Archivbild: Tatjana Schnalzger

Sind Jugendliche bekannt, die ein Suchtverhalten entwickelt haben?

Ja, auch in Liechtenstein sind Jugendliche – meist Jungs – bekannt, deren schulische Leistungen aufgrund des Zockens nachgelassen haben. Nicht alle spielen «Fortnite», «Minecraft» ist ein weiteres beliebtes Onlinespiel. Faszination, Gewöhnung, Missbrauch und Abhängigkeit sind die verschiedenen Phasen beim Gamen oder Zocken. Insofern haben diese Jugendlichen ein Suchtverhalten entwickelt und stehen zumindest in der Missbrauchsphase. Hier bedarf es der Eltern, welche klare Grenzen setzen. Während der Schulwochen bedeutet dies, maximal am Mittwochnachmittag, am Freitag nach der Schule, am Samstag und am Sonntag bis zum späteren Nachmittag zu spielen. Die anderen Zeiten benötigt die Fokussierung auf die Schule. Werden Jugendliche aggressiv, wenn die Eltern dies einfordern, so ist dies ein Zeichen für eine ­Abhängigkeit. Wenn sich Eltern hier Unterstützung holen, so zeigen sie damit Stärke und nehmen ihre erzieherische Verantwortung wahr. Die Schulsozialarbeit beantwortet gerne Fragen und berät Eltern. Anlaufstelle ist ebenfalls die Fachgruppe Medienkompetenz.


Hilfe und Beratung: schulsozialarbeit.li, medienkompetenz.li

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