Am vergangenen Donnerstag hat der Auto-Salon Genf zum 88. Mal seine Türen geöffnet. Früher ging es um schnittige Karosserien und leistungsstarke Motoren, heute muss die Autoindustrie alte und neue Herausforderungen meistern.
von Stephanie Scherrer
Die Automobilbranche ist im Umbruch. Viele sprechen vom grössten Wandel seit der Erfindung des Autos vor rund 130 Jahren. Dabei waren die Probleme des Autos schon lange bekannt: Sie verschwenden Ressourcen und Energie und stossen umweltschädliche Abgase aus. Trotzdem lag der Fokus der Branche jahrzehntelang hauptsächlich auf schnittigen Karosserien und leistungsstarken Motoren. Das Auto war vor allem eines: ein Statussymbol. Spätestens seit dem Diesel-Abgasskandal von VW kann die Branche nicht mehr wegschauen. Mittlerweile ist bekannt, dass der Grossteil der Fahrzeuge auf der Strasse wesentlich schmutziger ist als auf dem Prüfstand. Die Kunden sind verunsichert und die Neuzulassungen von Diesel-Fahrzeugen sinken. Die Branche steht nun unter dem Druck, Versäumtes nachzuholen. Und so steht der Automobilsalon Genf (noch bis 18. März) in diesem Jahr erneut ganz im Zeichen von Digitalisierung und Effizienz.
Das saubere Auto
Das Diesel-Problem gehen die Hersteller unterschiedlich an. Porsche und Toyota scheinen sich komplett vom Diesel zu verabschieden. Beide Hersteller bieten akutell kein Modell mit Dieselmotorisierung in Europa an. Da der Diesel-Anteil der Hersteller zuletzt sehr niedrig war, dürfte der Ausstieg nicht allzu schwer fallen. Auch Renault will das Angebot der Dieselfahrzeuge kürzen, obwohl sie zuletzt einen Anteil von 48 Prozent hatten. VW will bei den kleineren Modellen reduzieren. Auch die schwedische Luxusmarke Volvo räumt dem Diesel keine grosse Zukunft mehr ein. Der Dieselanteil bei den verkauften Neuwagen lag zuletzt bei 77 Prozent. Trotzdem wolle man kein Geld mehr in die Entwicklung neuer Motoren investieren. Zwar könne man die Sauberkeit technisch noch verbessern, doch das sei kompliziert und kostspielig.
Aber nicht alle geben den Diesel auf. BMW-Chef Harald Krüger erklärte erst Mitte Februar: «Der BMW-Diesel hat Zukunft.» Der Hersteller baue die saubersten Motoren der Welt. Das war jedoch noch bevor BMW 11 000 Dieselfahrzeuge wegen einer fehlerhaften Software zurückrufen musste.
Den grössten Diesel-Anteil bei den verkauften Neuwagen halten Jaguar und Land Rover mit 91 Prozent. Eine Abkehr scheint da nur schwer möglich. Doch JLR will ab 2020 alle Neuwagen entweder mit einem vollelektrischen oder einem Hybridantrieb ausliefern.
Ob Dieselmotoren oder Verbrennungsmotoren in Zukunft überhaupt noch eine Chance haben oder ob sich die E-Motoren auf Dauer durchsetzen können, ist nicht gewiss. Bislang waren die Elektroautos Ladenhüter. Zum einen, weil ihre Anschaffung teurer ist und zum anderen aufgrund ihrer eingeschränkten Reichweite. Auch die nicht flächendeckende Infrastruktur der Ladestationen war bislang wenig attraktiv. Für die Automobilbranche ist diese Unsicherheit ein grosses Risiko. Die zweigleisige Positionierung könnte sogar die grössten Hersteller überfordern. Seitdem Tesla jedoch mit seinem Elektroauto den Markt aufgemischt hat, werden die anderen Hersteller in der Entwicklung der Elektromotoren mutiger.

Das intelligente Auto
Neben dem Antrieb investiert die Automobilbranche vor allem in die Technik. Experten gehen davon aus, dass bis 2030 mindestens die Hälfte aller Autos mit fortschrittlichen Assistenzsystemen ausgestattet sein werden. Und für die Kunden werden diese immer selbstverständlicher. Für die Hersteller sind die neuen Technologien eine grosse Herausforderung. Ihre Komplexität könnte sich als Achillesferse entpuppen. Allein bei einem Einparksystem arbeiten über ein Dutzend Sensoren zusammen. Die Hersteller werden somit auch ihr Qualitätsmanagement überdenken müssen.
Bis zum vollautonomen Fahrzeug braucht es jedoch noch einiges an Forschung und wohl noch mehr an Überzeugungsarbeit. Denn der Gedanke, die Kontrolle über das Fahrzeug der Technik zu überlassen, stösst bei vielen noch auf Widerstand.
Das Auto der Zukunft soll nicht nur selbst lenken, sondern auch selbst denken. Die Hersteller arbeiten daran, verschiedenste Apps in die Infotainmentsysteme ihrer Autos zu integrieren. Immerhin soll sich der (Mit-)Fahrer in Zukunft anderen Dingen widmen können als dem Strassenverkehr – beziehungsweise nicht mehr durch das Benutzen des Smartphones am Steuer abgelenkt werden. Möglich machen das unter anderem auch Sprachassistenten wie Alexa oder Siri. Einige der Hersteller sind dabei, eigene Assistenten zu entwickeln. Mercedes hat da sogar zwei im Angebot: Sarah und Ask. Während Ask ein virtueller Assistent in Form einer App ist, handelt es sich bei Sarah um eine künstliche Intelligenz, die sogar Gefühle und Emotionen von Menschen erkennen soll.
Mit den neuen Technologien sammelt das Auto von morgen auch Daten und schickt diese an den Hersteller. Die während der Fahrt gewonnenen Daten können für die Unternehmen eine zusätzliche Einnahmequelle werden. Allerdings müssen sich die Automobilhersteller erst entsprechend aufstellen, um den Big-Data-Umsatz stemmen zu können. Entsprechende Unternehmen stehen mit Sicherheit schon in den Startlöchern.
Die Software der Fahrzeuge entwickelt sich derzeit schneller als ihre Hardware. Trotzdem sind aus den ersten Wagen schon die Instrumente verschwunden und Computerbildschirmen gewichen. Vorgemacht hat es Tesla mit einem grossen Touchscreen. So können Neuerungen im Bereich der Bedienung in Zukunft bequem per Software-Update eingespielt werden. Der Autoindustrie steht also eine ähnliche Entwicklung bevor wie der Computerindustrie: Weniger Fokus auf die Hardware, dafür mehr auf Software und Service.
Das geteilte Auto
War das Auto noch bis vor einigen Jahren ein Prestigeobjekt, hat sich das Kauf- beziehungsweise Nutzverhalten der Kunden ebenfalls verändert. Durch die neuen technischen Möglichkeiten und das Engagement von Mobilitätsanbietern wird das Car-Sharing seit einigen Jahren immer beliebter. Nutzen statt besitzen ist das Motto der Stunde. Angesichts des immer grösseren Verkehrsaufkommens, vor allem in Grossstädten, und der intelligenten Verknüpfung von Mobilitätsangeboten wird der Trend zu «Shared Mobility» in Zukunft stark zunehmen. Daher müssen nicht nur die Städte die bestehenden Mobilitätsangebote überdenken. Themen wie nachhaltige Mobilität, Rohstoffnutzung, Energienutzung und -gewinnung sowie Demografie werden immer wichtiger. Da Informations-, Buchungs- und Bezahlprozesse noch schneller und einfacher werden, lassen sich die Angebote leichter verknüpfen und organisieren. Neben innovativen Start-ups drängen mittlerweile immer mehr Automobilhersteller auf diesen Markt.
Die Anforderungen auf dem Automarkt sind extrem hoch. Man darf also gespannt sein, welche jungen Autohersteller sich etablieren können und welche alteingesessenen Unternehmen womöglich den Anschluss verlieren und das Feld räumen müssen.
Alles über die Neuheiten auf dem Automarkt und die Trends des Auto-Salons Genf lesen «Vaterland»-Leser am 20. März im Magazin «Autofrühling». Ausserdem findet am 24. und 25. März die «auto-Lie» statt. Dann laden die Garagen in Liechtenstein zur Frühlingsausstellung – wenn die neuen Modelle aus Genf da sind.